Schaltprobleme XS 850, Motor plötzlich aus

[KnuthF]

Hallo zusammen,

komme gerade von einem Kroatientrip (2900 km) mit meiner 81er XS 850 (Laufleistung <20.000 km) zurück. Nach ca. 300 km klemmte der Schalthebel im 5. Gang. Nach einigem hin und her ließ der sich wieder betätigen und alle Gänge ließen sich normal schalten. Dieses Vorkommnis wiederholte sich während der weiteren 2600 km nicht mehr. Dafür ging urplötzlich das Leerlauflämpchen nicht mehr. Dachte zuerst das Birnchen ist durchgebrannt. Dann ging es jedoch wieder. Und wieder nicht. Ggf. der Schalter?!

Dann noch was: Motorrad abgestellt - alles normal. Dann angelassen und der erste Gang ließ sich nicht einlegen. Der Schalthebel ließ sich nicht nach unten bewegen.
Nach oben schon - dann war ich im ersten Gang gelandet. Ist mehrmals passiert. Immer nachdem das Motorrad abgestellt und später wieder angelassen wurde. Fuhr man dann los, war alles ok.
Hat jemand eine Idee was das sein kann?
Etwas weiter unten hat jemand auch das Problem mit dem klemmenden 5. Gang gehabt. Liegt hier das gleiche Ungemach vor? Muß dann der gesamte Motor auseinander oder kommt man da nach Demontage der Ölwanne/Motorseitendeckel ran?

Dann noch was: 30C°, Sonnenschein und bei rot an der Ampel auf grün warten. Und nach 10-30 Sekunden geht der Motor aus. Gerad so als ob jemand das Benzin abgestellt hat (es sind mechanische Benzinhähne montiert). Hält man das Standgaß bei etwa 1500 - 2000 upm, bleib der Motor an. Drunter geht er aus. Läßt sich danach aber wieder problemlos starten.

Kann jemand helfen? Vielen Dank für Tipps gleich vorab.

Gruß Knuth

[Triwinger]

Hallo Knuth, hallo zusammen,

Deine Getriebesorgen klingen mir ganz nach dem "Willkommen-im-Club"-Problem: Auf der rechten Motorseite gibt es im Getriebe die berühmte Schraube, die gern mal ihren Kopf verliert. Wenn der Schraubenkopf nach unten purzelt, landet er vor dem Schaltmechanismus, der für das Wechseln der Gänge zuständig ist. Wenn der Schraubenkopf ungünstig liegt, blockiert er alles. Dann lassen die Gänge sich nicht mehr wechseln. (Und womöglich läßt sich dann auch der Leerlauf nicht mehr so exakt finden, daß das Lämpchen angeht.) Sobald beim Fahren der Schraubenkopf ein Stück beiseite rollt, geht erst mal wieder alles. So lange, bis der Schraubenkopf seine nächste "Lebensabschnitts-Ruhelage" gefunden hat. Dann blockiert er, wenn es der Zufall will, einen anderen Gang. Das Abstellen der Maschine auf dem Seitenständer (mit warmem, dünnem Öl, also guter Bewegungsfähigkeit der Schraube) kann den Wandertrieb des losen Schraubenkopfes begünstigen. Und könnte erklären, warum Du oft jeweils nach dem Abstellen eine Veränderung bemerken konntest.

An die Schraube kommst Du heran, wenn Du den rechten Motorseitendeckel abbaust: Öl raus, Kickstarter ab (falls vorhanden), Lima-Rotor runter, dann den großen Motorseitendeckel abnehmen. Innendrin zunächst die Primärkette abnehmen und, wenn ich mich recht erinnere, auch den Kupplungskorb. Ab dann wird die defekte Schraube sichtbar, und Du müßtest den abgerissenen Kopf schon unten im/vor dem Schaltmechanismus liegen sehen.

Der Schrauben-Schaden ist derart "typisch und häufig", daß es für die Reparatur schon gute Fotodokumentationen im Internet gibt. Ich habe die Links zwar gerade nicht griffbereit, aber werde mal nachschauen und entsprechende Infos nachreichen.

Zu dem absterbenden Motor im Stand an sehr warmen Tagen könnte ich als Erklärungsidee Dampfblasenbildung im Vergaser anbieten.

Gutes Gelingen bei der Fehlerfindung wünscht

Triwinger

[Triwinger]

So, hier ein Bildbeispiel. In diesem Youtube-Video...

https://www.youtube.com/watch?v=4us0UI8av8o

...sieht man bei 2:58 die bereits ausgeräumte rechte Motorseite. Die bruchgeneigte Schraube sieht man zwar leider nicht. Aber man kann sie erahnen: "Mitten aus dem Motorgehäuse" ragt die lange Getriebewelle heraus, auf der normalerweise der Kupplungskorb sitzt. Genau darunter (im Bild verdeckt) befindet sich die zweite Getriebewelle. In der sitzt stirnseitig die verdächtige Schraube. Und wiederum genau darunter/davor sitzt der Schaltmechanismus. Den sieht man auf dem Bild bei 2:58 gut. (Mit den beiden Verzahnungs-Segmenten, die wie gefaltete Finger ineinandergreifen.) Und kann sich daher hoffentlich vorstellen, was die Schraube alles blockieren kann, wenn sie sich von unmittelbar darüber herabstürzt.

Die Schraube ist zum Beispiel bei CMS in den Niederlanden erhältlich:
Getriebe-Übersicht: https://www.cmsnl.com/yamaha-xs850-1981-b-usa_model8830/partslist/C-06.html
Teil Nr. 32: https://www.cmsnl.com/products/bolt-4w3_9010510186/

[KnuthF]

Hallo Triwinger,

vielen Dank für die gehaltvollen Infos. Werde mich zeitnah "ans Werk" machen.
Würde sagen: (viel) Glück gehabt, dass sich der Schraubenkopf recht brav 2700 km Fahrstrecke nicht in drehende Teile "verkrümelt" hat.
Werde berichten.

Gibt es denn eine passende Schraube aus stabilerem Material? Möchte nicht so gern, dass die bevorstehende Reparatur zur Gewohnheit wird.

Gruß Knuth

[Norbert]

Besser die Originalschraube mit dem angegeben Drehmoment (43 Nm Handbuch) verwenden ist hier die richtige Wahl.
Zu hohe Anzugsmomente (nach fest kommt ab) sind letztendlich die Ursachen für solche Brüche.
(eine neue Vorgelegewelle mit intaktem Gewinde bekommt man auch nicht so leicht wie die Schraube...)

Viel Erfolg

[KnuthF]

Hallo Norbert,

Ziel ist nicht die besagte Schraube fester als angegeben anzuziehen, sondern zukünftig einen erneuten Abriss des Schraubenkopfes zu vermeiden. Da dieser Defekt offensichtlich schon mehrmals vorgekommen ist, liegt die Annahme nahe, dass das Material der Schraube den einwirkenden Kräften nicht gewachsen ist. Eine stabilere Schraube sollte den zugedachten Job besser erfüllen.
Ich lass mich erst einmal überraschen, was mich da im Motor erwartet.

Gruß Knuth

[Norbert]

Hallo Knuth,

die Schraube wurde 2007 durch den lokalem Yamaha Händler als Nachfolge Ersatzteil für die gebrochene original 12.9er geliefert.

Seither ist die Schraube mit über 80 TKM problemlos im Einsatz und wurde/wird für die 'regemäßige Pflege' des 2. und 5. sowie
einem damals notwendigen Austausch der Schaltwalze gelöst/angezogen und weiterhin in Verwendung.

[Triwinger]

Ich geb' zu: Der Gedanke ist naheliegend, daß Yamaha damals eine "zu schwache Schraube" verwendet hat und man die durch eine "bessere" (d. h. mit höherer Festigkeitsklasse) ersetzen müsse. Aber ich sehe es genau wie Norbert: Die 12.9er ist ja bereits aus dem obersten Bord. Und als Maschinenbau-Ing. habe ich gelernt: Wenn man die Schraube "zu" fest auswählt, dann kann sie sich ja gar nicht mehr so schön elastisch dehnen und gutmütig die Belastungen puffern. Sondern dann neigt sie eher zu einem Verhalten wie Porzellan: "Zuerst total hart, aber dann *knacks*...". Mein Prof. pflegte deshalb immer zu predigen: "Die klügere Konstruktion gibt nach!"

Ich habe daher bei der Instandsetzung meines Getriebes auf diejenige Schraube vertraut, die Yamaha als Nachfolgeschraube empfiehlt. Ich meine, dazu irgendwo mal ein Vergleichsfoto gesehen zu haben: Die neue Schraube hat am Übergang vom Kopf zum Schaft einen größeren Radius. Und ist dadurch viel weniger bruchgeneigt.

Insofern möchte ich Dir beipflichten, Norbert: Wenn die Schraube erneuert wird und nicht mit mehr als 43 Nm gequält wird, dann hält sie bestimmt erst mal wieder für die nächsten 30-40 Jahre. Und dann kann man immer noch weitersehen.

Ich möchte andererseits aber auch tolerant sein gegenüber Deinen Gedanken, Knuth. Insofern könnten wir sagen: "Probieren wir's halt aus. Und der, dessen Schraube länger hält, bekommt von uns bei Gelegenheit einen ausgegeben." (Oder darf noch ein Weilchen später vom Rollator des anderen die Angstnoppen an den Reifen runterfahren...)

[KnuthF]

Hallo Triwinger,

hab die Teilebestellung mit der org. Schraube beauftragt.
Werde berichten, was mich nach Abnahme des Kupplungsdeckels erwartet.

Gruß Knuth
und nochmals vielen Dank an alle für den informativen Austausch.

Noch eine Frage zu den Vergasern: hatte selbige komplett zerlegt, im Ultraschallbad gereinigt, mit Keysterteilen neu aufgebaut und synchronisiert. Hat gut funktioniert. Allerdings ist das Kerzenbild meiner Einschätzung nach (gleichmäßig über alle 3 Zylinder) etwas dunkel. (Wie) kann man das korrigieren?

[KnuthF]

Hallo zusammen,

habe mich bis zur abgescherten Schraube "durchgekämpft", dann aufgebohrt und einen Linkausdreher gesetzt. Soweit so gut.
Trotz einer Ratsche mit 40cm(!) langem Stiel, gelingt es nicht, die Schraube zu lösen. Habe das ungute Gefühl, wenn ich jetzt noch mehr Kraft an der Ratsche anwende, dass der Linksaudreher bricht.
Was mache ich falsch? Ist doch ein Rechtsgewinde - also zum Lösen gegen den Uhrzeigersinn drehen.

Denke schon ernsthaft drüber nach, einen elektrischen Schlagschrauber einzusetzen...

Gruß
verzweifelter Knuth